Gemeinschaft lässt sich nicht verordnen – Strukturelle Probleme angehen statt von Dienstpflichten fantasieren
Forderungen nach Dienstpflichten geistern von der Union bis zum Bundespräsidenten seit Monaten durch die Debatten, Vorschläge für die Wiedereinführung der Wehrpflicht von rechts sowieso. Ende März kam aber auch von den bayerischen Grünen der Ruf nach einem verpflichtenden “Freiheitsdienst,” den auch Stimmen der Bremer Grünen positiv – und öffentlich – aufgegriffen haben.
Dabei gibt es wenig, was die Dienstpflicht nicht können soll: “Verteidigungsfähigkeit” sichern sowieso, aber sie stabilisiert auch mal das Gesundheits- und Pflegesystem, bringt “der Jugend” wieder Tugend bei, und die Demokratie rettet sie ganz nebenbei mit. Diese Verklärung des Nutzens lässt die Folgen gerne außer Acht. Im Freiwilligen Sozialen Jahr durfte 2024 nicht mehr als 453€ monatliches “Taschengeld” gezahlt werden, ausgezahlt wurden durchschnittlich 250€.(1) Somit ist ein Freiwilligendienst keine freie Entscheidung, sondern etwas, das man sich leisten können muss. Wertschätzung für den Einsatz? Wohl kaum. Pläne für vernünftige Bezahlung? Stille.
Bezahlung ist aber nur die offensichtlichste Ungerechtigkeit. Auch wenn ein Jahr Einsatzzeit von 18 bis 67 gestreckt werden kann, bedeutet es eine zusätzliche Belastung für insbesondere diejenigen, die schon jetzt am Ende ihrer Zeit und Kräfte sind. Wer sich dankenswerterweise bereits engagiert, muss nichts ändern; wer zwischen dem Schichtdienst Kräfte sammelt, muss noch mehr anpacken.
Solch ein “Freiheitsdienst” greift dabei massiv in die Entscheidung über das eigene Leben ein, während er Einzelne zum Abfangen gemeinschaftlicher Probleme heranzieht. Probleme wie der fortschreitende Zusammenbruch des Klimasystems, leere Rentenkassen und das Aushöhlen sozialer Sicherungen, die uns in den kommenden Jahrzehnten massiv einschränken werden. Wenn nun die „Pflicht“ zum
Beitrag als Gegenstück zu „Rechten“ gesprochen wird, wird es umso perfider: Uns wird das Recht auf einen bewohnbaren Planeten, ein sicheres Existenzminimum durch Verweigerung genommen, und das sollen wir auch noch selbst auffangen. Vorbereitung auf Krisen ist notwendig, aber ein Behelf und keine Lösung. Nur bedeuten Behelfslösungen in Deutschland meist ein Retten, bis sich die nächste größere Bruchstelle auftut.
Debatten, ob es nun sechs oder zwölf Monate sein sollen, am Stück oder aufgeteilt, koordiniert von aufgelösten Wehrersatzämtern oder überlasteten Freiwilligendienststrukturen, beschränken sich darauf, eine schlechte Idee möglichst störungsfrei umzusetzen. Aber neue Strukturen aufzubauen lenkt ab davon, kaputte zu reparieren – und die Grünen fallen wieder einmal auf eine Nebelkerze herein, mit der die Ideenlosen von echter Veränderung ablenken wollen.
Stattdessen ist die Position der Grünen Jugend Bremen: Freiwilligendienste ausbauen und durch existenzsichernde Vergütung tatsächlich allen nach freiem Willen zugänglich machen: sehr gerne; Raum öffnen für strukturelle Lösungen: auf jeden Fall. Aber Dienstpflichten jeder Art lehnen wir ab, weil sie
Ungerechtigkeiten verschlimmern, dringend benötigte Kapazitäten binden, und gemeinschaftliche Verantwortung abwälzen auf diejenigen, die am meisten von weiterem Verschleppen betroffen sein werden.