Beschluss der Landesmitgliederversammlung der Grünen Jugend Bremen vom 07.07.2021.
Die Grünen fordern in ihrem Bundestagswahlprogramm das aktive Wahlrecht für
Europa- und Bundestagswahlen auf 16 abzusenken und eine weitere Absenkung zu
prüfen. Das wäre ein erster, lange überfälliger Schritt.
In Bremen sind wir zum Glück schon weiter. Die Bürger*innenschaftswahl in Bremen
2011 war die erste Landtagswahl bei der 16-Jährige wählen durften. Bereits bei
der Bürger*innenschaftswahl in Bremen 2019 haben wir uns gemeinsam mit den
GRÜNEN Bremen für die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre eingesetzt. Im
Koalitionsvertrag des Rot-Grün-Roten Senats ist ein entsprechender Prüfauftrag
enthalten. Diese Prüfung muss umgehend erfolgen.
Das kann uns jedoch nicht zufriedenstellen. Politische Entscheidungen betreffen
insbesondere jüngere Menschen. Sie müssen am längsten mit den Entscheidungen
leben. Egal ob es um den Klimawandel, Bildungspolitik oder die Corona-Maßnahmen
geht. Über die Zukunft von Kindern und Jugendlichen wird tagtäglich verhandelt,
ohne dass sie auch nur ein Wort mitreden können – unabhängig davon, welche
Meinungen sie vertreten. Das ist nicht weiter hinnehmbar und widerspricht dem
Demokratieprinzip. Nicht die Befürworter*innen einer Absenkung des Wahlalters
müssen sich rechtfertigen, sondern dessen Gegner*innen.
Denn wählen ist das grundlegendste Recht in einer Demokratie. Deshalb fordern
wir:
Die sofortige Absenkung des aktiven Wahlrechts für Europa-, Bundestags-,
Landtags- und Kommunalwahlen auf 14 Jahre.
Studien, zum Beispiel zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, belegen,
dass es keine signifikanten Unterschiede bei 16- und 17-Jährigen im Vergleich zu
18- bis 24-Jährigen bei Interesse, Selbstwirksamkeit und Wissen in Bezug auf
Politik gibt. Auch für die ebenfalls in der Studie enthaltenen 15-Jährigen gibt
es keine signifikanten Unterschiede. Warum also 16, geschweige denn 18 eine
geeignete Altersgrenze sein soll, ist nicht ersichtlich.
Vielmehr beginnt bereits mit 14 Jahren die Strafmündigkeit. Jugendlichen wird
also bereits zugetraut, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen. Sie
können nach Gesetzen verurteilt und bestraft werden, über die sie nicht
mitentscheiden konnten. Das kann nicht sein.
Weiterhin muss bedacht werden, dass das bisherige Mindestalter im
Bundestagswahlrecht zu einem Durchschnittsalter bei der ersten Wahl von 20
Jahren führt, da die Wahlperiode vier Jahre beträgt. Bei Landtags- und
Kommunalwahlen sind die Wahlperioden sogar (bis auf wenige Ausnahmen) fünf Jahre
lang.
Bereits jetzt sind erhebliche Unterschiede bei der Wahlbeteiligung nach
Bildungsabschlüssen festzustellen. Dies wird durch das hohe Wahlalter
begünstigt. An Universitäten findet Politisierung bereits im großen Umfang
statt. In Ausbildung und Arbeit ist für politische Bildung jedoch keine Zeit.
Selbst bei einer Absenkung auf 16 Jahre würde die erste Möglichkeit an einer
Wahl teilzunehmen frühestens in die Zeit der gymnasialen Oberstufe fallen. Um
Menschen, die kein Abitur machen zu erreichen, reicht die Absenkung auf 16 Jahre
nicht aus.
Erst bei einem Wahlalter 14 wäre sichergestellt, dass der größte Teil der
Jugendlichen die erste Wahl während der Schulzeit und damit unabhängig vom
sozialen Umfeld erlebt. Durch guten und umfangreichen Politikunterricht ab der
5. Klasse kann allen Kindern und Jugendlichen die Bedeutung des Wählens und
Möglichkeiten weiterer Beteiligung am demokratischen Prozess vermittelt werden.
Unabhängig von politischen Einstellungen wird Wählen zur Gewohnheit.
So geben wir Kindern und Jugendlichen nicht nur das bedeutendste Recht der
Demokratie, sondern können auch einer Spaltung der Gesellschaft in Wähler*innen
und Nichtwähler*innen entlang sozialer Unterschiede langfristig entgegenwirken.
Doch jede Altersgrenze ist willkürlich! Deshalb fordern wir:
Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren müssen auf Antrag in das
Wähler*innenverzeichnis aufgenommen werden können.
Die unter 18-Jährigen sind die einzige Gruppe, die vom Wahlrecht ausgeschlossen
ist. Oft wird dies damit begründet, sie seien noch nicht dazu in der Lage, eine
Wahlentscheidung zu treffen. Dabei sind über 18-Jährige unabhängig davon
wahlberechtigt, ob sie individuell objektiv dazu in der Lage sind eine
Wahlentscheidung zu treffen oder überhaupt physisch in der Lage sind an der Wahl
teilzunehmen.
Das Argument ist daher nicht nur vollkommen verfehlt, es ist überdies
unzweifelhaft, dass nicht nur einzelne, sondern große Teile der unter 18-
Jährigen und auch unter 14-Jährigen individuell dazu in der Lage sind eine
Wahlentscheidung zu treffen und an der Wahl teilzunehmen. Individuell ist der
Ausschluss somit nicht zu rechtfertigen.
Sie von der Wahl auszuschließen, nur weil sie einer Gruppe angehören, in der
sich vermeintlich besonders viele Personen befinden, die nicht dazu in der Lage
seien, an der Wahl teilzunehmen, ist ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Das zeigt
der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von vor wenigen Jahren, das den
Ausschluss von Menschen in Vollbetreuung explizit für verfassungswidrig erklärt
hat.
In der Konsequenz müssen die Altersgrenzen beim passiven Wahlrecht komplett
abgeschafft werden. Um die Umsetzung zu vereinfachen, schlagen wir ein
Eintragungswahlrecht für alle Kinder und Jugendlichen unter 14 Jahren vor. Wenn
sie wählen wollen, müssen sie sich auf Antrag beim Wahlamt in das
Wähler*innenverzeichnis eintragen lassen können.
Das aktive Wahlrecht ist nur die eine Hälfte. Deshalb fordern wir:
Als Ersatz für das passive Wahlrecht muss jedes Parlament einen Jugendbeirat
bekommen!
Wir erkennen an, dass es erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen würde, wenn
unter 18-Jährige auch passiv wahlberechtigt wären, da Bundestagsabgeordnete zum
Beispiel auch Arbeitgeber*innen sind. Als Ersatz für das passive Wahlrecht
schlagen wir deshalb Jugendbeiräte vor. Diese sollen parallel zu den Parlamenten
und kommunalen Volksvertretungen gewählt werden. Aktiv und passiv wahlberechtigt
sind alle nicht bei allgemeinen Wahlen passiv wahlberechtigten Kinder und
Jugendliche.
Die Jugendbeiräte sollen bei allen Entscheidungen beratend teilhaben dürfen.
Dafür muss den Jugendbeiräten Zugang zu allen Informationen gewährt werden.
Diese Jugendbeiräte können jedoch niemals als Ersatz für die Abschaffung der
Altersgrenzen beim aktiven Wahlrecht dienen